Dadurch, daß EROS7 von Grund auf neu programmiert wurde, konnten auch neue Überlegungen bezüglich der Anbindung der Regeln angestellt werden. Die Regeln sind die Wissensbasis für EROS7, in denen die einzelnen Reaktionstypen inklusive der Beschränkungen, Bewertungen der Reaktionen und die zu verwendende Kinetik kodiert sind. Für EROS6 wurden die Regeln in einer eigenen Sprache (VERGIL, Versatile EROS Reactivity functions Generation and Interpretation Language [41]) geschrieben, die dann von selbstgeschriebenen Programmteilen ausgewertet werden mußten. Dies hat den Nachteil, daß man den Compiler bzw. Interpreter für die Regeln selbst erstellen muß, der dann alle gewünschten Funktionalitäten enthält, was durchaus aufwendig sein kann. Da liegt der Gedanke nahe, die Programmiersprache, in der das Programm selbst geschrieben ist, auch für die Formulierung der Regeln zu verwenden. So erhält man für die Regeln von ROS7 alle Möglichkeiten der mächtigen Programmiersprache C++. Wird die Sprache C++ erweitert, so ist im schlimmsten Fall das ganze Programm neu zu übersetzen und zu binden, um auch die Erweiterungen nutzen zu können. Der große Aufwand für die Implementation eines Compilers bzw. Interpreters für die Regeln bei Verwendung einer eigenen Sprache und die Aussicht auf die Möglichkeit einer flexiblen Weiterentwicklung der Regeln durch den Einsatz der Sprache C++ haben den Ausschlag gegeben, die Regelschnittstelle in C++ zu definieren. Nachteile hiervon sind, daß die Regeln in einer komplexeren, nicht unbedingt den chemischen Problemen angepaßten Sprache abgefaßt werden, sowie der Aufwand für eine Erklärkomponente, die für die Beurteilung, warum eine Reaktion stattfindet oder nicht, die Regeln analysieren muß. Auswege daraus sind die Erstellung eines Regeleditors mit grafischer Oberfläche, der für einen bestimmten Zweck immer nur eine Untermenge der möglichen Einstellungen in den Regeln verwendet und dies in immer gleicher Weise tut, oder der Anschluß einer geeigneten anderen Programmiersprache, was der Grund dafür ist, daß bei der Definition der Regelschnittstelle auf objektorientierte Ansätze weitestgehend verzichtet wurde. Zur Zeit existiert für EROS7 der Anschluß an den Tcl-Interpreter. Ob die Abfassung der Regeln in Tcl oder in C++ gewählt wird, macht einen geringen Unterschied. Tcl hat den Vorteil, daß die Regeln interpretiert werden können. Es wird, nachdem man die Regeln abgeändert hat, für einen erneuten Programmlauf kein zusätzliches Programm, wie etwa ein Compiler, benötigt. Die Abarbeitung der Regeln in Tcl und damit die Reaktionssimulation durch EROS7 dauert mit compilierten und nicht compilierten Regeln länger als mit den entsprechenden C++-Regeln. Interpretierte Tcl-Regeln sind dagegen flexibler, da sie geändert direkt ohne Compilation erneut getestet werden können. Insgesamt ist der Aufbau der Regeln gegenüber denen von EROS6 wegen der größeren Funktionalität um einiges komplexer. Deshalb sollte für einen breiteren Einsatz ein Regeleditor erstellt werden.