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4.5. Grenzen der Strukturrepräsentation und des verwendeten Systems zur Generierung der Reaktionen

Die Strukturrepräsentation von FRANZ und MASSIMO beruht auf der Darstellung als Bindungsliste. Für Radikalkationen ist diese Kodierung oft nicht eindeutig, was auch auf die Generierung aller möglichen, mesomeren Grenzstrukturen und die Reaktionsgenerierung Auswirkungen hat.

4.5.1. Kodierung von Radikalkationen

Eine der einfachsten Strukturen, an denen gezeigt werden kann, daß die Kodierung von Radikalkationen durch die Darstellung als Bindungsliste nicht eindeutig ist, sind ionisierte Enolether (siehe Abbildung 53) Wird eines der beiden Elektronen aus einem der beiden freien Elektronenpaare am Sauerstoffatom des Enolethers entfernt, kann der Bindungsliste nicht entnommen werden, welches der beiden Orbitale, das mit einem oder das mit zwei Elektronen, mit der Doppelbindung konjugiert ist. Ist das Radikal mit der Doppelbindung konjugiert, kann die Bindung zur endständigen Methylgruppe, wie in Abbildung 53 angegeben, durch eine -Spaltung gebrochen und als Radikal abgespalten werden. Ist das freie Elektronenpaar mit der Doppelbindung konjugiert, kann diese Reaktion nicht stattfinden.

Abbildung 53: Uneindeutige Kodierung eines ionisierten Enolethers.

Der Unterschied zwischen den beiden ionisierten Formen des Enolethers liegt in der Rotation der beiden möglichen, mit der Doppelbindung konjugierten Orbitale um die C-O-Bindung.

Desweiteren kann mit der verwendeten Bindungsliste keine Verbindung dargestellt werden, bei der eine -Bindung ionisiert wurde. Dies ist die einzige Möglichkeit Alkane, wie Propan (siehe Abbildung 54), zu ionisieren. Die ionisierten -Bindungen fragmentieren das Ion anschließend zu den anderen Kationen, deren Signale im Massenspektrum unterhalb der Masse des Molekülpeaks beobachtet werden können.

Abbildung 54: Ionisiertes Propan.

4.5.2. Mesomerie

Um alle möglichen Reaktionen zu finden, müssen die Reaktionszentren für die verschiedenen Reaktionstypen in allen unterschiedlichen mesomeren Grenzstrukturen gesucht werden, da für das Reaktionszentrum oft Bedingungen an die Bindungsordnungen gestellt sind. Um diese Grenzstrukturen zu erzeugen, werden sukzessive mehrere Regeln für die lokale Elektronenvertauschung angewendet.

Abbildung 55: Mesomerie des Allylradikals.

Abbildung 56: Mesomerie von ionisierten Acetalen nach der -Spaltung.

Zur Überführung einer mesomeren Grenzstruktur in die andere, wie für das Allylradikal (siehe Abbildung 55) und das -Spaltungsprodukt von Acetalen (siehe Abbildung 56), verwendet der in FRANZ und MASSIMO eingebaute Mesomeriegenerator neben anderen die in Abbildung 57 gezeigten lokalen Elektronenvertauschungen.

Abbildung 57: Zwei der lokalen Elektronenvertauschungen zur Erzeugung der mesomeren Grenzstrukturen.

Wendet man diese beiden Elektronenumordnungen nacheinander auf einen am freien Elektronenpaar des Carbonylsauerstoffatoms ionisierten Ester (Struktur A in Abbildung 58) an, kommt man zunächst mit der Elektronenvertauschung b zur Struktur B. Da die Kodierung der Struktur B uneindeutig ist (siehe Abbildung 59), kann auch eine Rotation der freien Elektronenpaare am Sauerstoffatom angenommen werden. Damit ist es auch möglich, daß in Struktur B das Radikal mit der Doppelbindung konjugiert ist und damit die Elektronenvertauschung a zur Struktur C durchgeführt werden kann.

Abbildung 58: Erzeugte mesomere" Grenzstrukturen für einen Ester.

Vergleicht man nun die Strukturen A und C, so stellt man fest, daß diese Grenzstrukturen" eigentlich zu verschiedenen Strukturen gehören und nicht mesomer zueinander sind. Die Struktur B in Abbildung 58 hat zwei mögliche Interpretationen und das ist das Dilemma für die nicht mesomeren Grenzstrukturen". In Abbildung 59 sind die beiden Möglichkeiten als Strukturen B1 und B2 mit den einzelnen teilweise konjugierten Atomorbitalen gezeigt.

Abbildung 59: Zwei Interpretationsmöglichkeiten für Struktur B.

Durch die uneindeutige Kodierung (siehe 4.5.1) einiger Radikale und Radikalkationen kann nicht verhindert werden, daß vom Mesomeriegenerator in FRANZ und MASSIMO Grenzstrukturen erzeugt werden, die nicht zueinander mesomer sind. Tatsächlich handelt es sich bei den drei Strukturen A bis C in Abbildung 58 um drei verschiedene Formen des ionisierten Esters, von der nur die Struktur A eindeutig einer der ionisierten Formen zugeordnet werden kann (siehe Abbildung 60).

Abbildung 60: Zuordnungen der drei Grenzstrukturen zu den drei ionisierten Formen eines Esters.

Von all diesen mesomeren" Strukturen werden selbstverständlich auch Reaktionen durchgeführt, weshalb es bei größeren -Systemen auch vorkommen kann, daß eine Reaktion von mehr als einer Grenzstruktur durchgeführt werden kann. Für FRANZ und MASSIMO ist es aber wichtig, daß jede der Reaktionen nur einmal gespeichert wird. Dazu werden alle Duplikate einer Reaktion verworfen. Da die Reaktion auch ausgehend von äquivalenten, anderen Atomen als Reaktionszentrum vorgenommen werden kann, wird zur Erkennung dieser Duplikate die Identität des Edukts und des Produkts herangezogen.

4.5.3. Reaktionsbeschreibung

Ein weiteres Defizit von FRANZ und MASSIMO liegt in der Reaktionsgenerierung selbst. Es kommt vor, daß eine Reaktion von einem bestimmten Edukt zu einem Produkt durch mehrere Reaktionstypen erfolgen kann. Nimmt man ein 1-Halogenpropyl-2-radikal und wendet darauf die beiden Reaktionstypen -Spaltung (siehe Abbildung 61) und Halogenspaltung (siehe Abbildung 62) an, kommt man durch beide Reaktionstypen zu Propen und dem Halogenradikal (siehe Abbildung 63).

Abbildung 61: -Spaltung.

Abbildung 62: Halogenspaltung.

Abbildung 63: Konkurrenz zwischen der -Spaltung und der Halogenspaltung. Die gestrichelte Linie deutet den Bindungsbruch an.

Unter der Erschwernis der mehrfachen Erzeugung ein und derselben Reaktion aufgrund der Generierung der mesomeren Grenzstrukturen, ist es schwer, ohne eine Priorität der Regeln die richtigen Reaktionen zu verwerfen. Da die Regeln den einzelnen Reaktionstypen keine Prioritäten zuordnen können, behalten FRANZ und MASSMIO die erste gefundene Reaktion für die Reaktion von einem Edukt zu einem Produkt.

Genau dieses Problem tritt auch bei den falschen Grenzstrukturen eines ionisierten Esters auf (siehe Abbildung 65). Hier ist es die Konkurrenz einer induktiven (siehe Abbildung 64) und einer -Spaltung.

Abbildung 64: Induktive Spaltung.

Abbildung 65: Konkurrenzreaktionen zu gleichen Produkten beim ionisierten Ester aus Grenzstrukturen, die nicht mesomer zueinander sind.

Darüber hinaus kann bei ionisierten Estern der Rest R aus zwei verschiedenen Grenzstrukturen" (Strukturen A und C), die nicht mesomer zueinander sind, durch eine -Spaltung als Radikal abgespalten werden. Da diese Strukturen fälschlicherweise als mesomer zueinander betrachtet werden, die Berechnung der physikochemischen Eigenschaften diese jedoch korrekterweise differenziert, unterscheiden sich diese Reaktionszentren und MASSIMO berechnet für die beiden Strukturen verschiedene Reaktionswahrscheinlichkeiten. Welche Struktur als Edukt der -Spaltung zusammen mit ihrer Reaktionswahrscheinlichkeit gespeichert und für die Umsatzberechnung verwendet wird, ist von der Reihenfolge der Erzeugung der Grenzstrukturen" abhängig, die nicht mesomer zueinander sind. Diese Reihenfolge ist wiederum von der Numerierung des Edukts abhängig und damit zufällig.

Abbildung 66: Oniumreaktion.

Auch bei der Oniumreaktion (siehe Abbildung 66) tritt sehr häufig der Fall ein, daß das gleiche Kation für verschiedene Kettenlängen gebildet wird. Da die sich in diesem Fall unterscheidenden Neutralfragmente in der Massenspektroskopie nur von geringem Interesse sind, werden sie oft, wie auch bei FRANZ, aus dem Produktensemble entfernt. So erhält man wieder mehrere gleiche Reaktionen, von denen man nur diejenige benötigt, bei der die Kette am kürzesten und damit die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist.

Zusammenfassend kann man feststellen, daß für die einzelnen Reaktionstypen und auch die verschiedenen Reaktionen Prioritäten benötigt werden, daß die Reaktion aus den als gleich erkannten Reaktionen mit der höchsten Priorität behalten und weiter verwendet wird.



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